Forum Bioethik |
Peter Singer und Deutschland
Viele Probleme der Bioethik werden deutlich am Beispiel des australischen
Philosophen Peter Singers. Er bezieht zwar eine Extremposition - gerade
daran aber läßt sich auch viel erkennen. Dazu kommt, daß
Singer nicht unbedingt eine Außenseiterrolle einnimmt - da er auch
weiterhin weltweit eine größere Rolle spielt
Durch Peter Singer wurde die Bioethik und die damit verbundene Problematik
erst so richtig bewußt. Nachdem er in den 70iger Jahren die Welt-
Tierrechts- Bewegung wesentlich mit begründet hat und auch ein erfolgreiches
Buch dazu geschrieben hatte („Animal liberation“), verfaßte er sein
nächstes Werk zu ethischen Fragen, die „Praktische Ethik“, das 1984
in Deutschland erschien. Darin tritt er u.a für die Tötung geistigbehinderter
Säuglinge ein, da sie z.B. keine „Personen“ seien, bzw. seinen Kriterien
für eine Person nicht entsprechen. Sie hätten auch nur ein Leben
voller Leid und sollten besser getötet werden:
Das Buch war in Deutschland zunächst nur in einigen Kreisen bekannt.
Schließlich wurde Singer im Jahr 1989 von der Bundesvereinigung der
Lebenshilfe zu einem Symposium eingeladen, auf dem er seine Positionen
darlegen sollte. Im Vorfeld gab es aber solche Proteste von anderen Behindertengruppen,
daß Singer wieder ausgeladen werden mußte - und das Symposium
wurde abgesagt.
Dann wurde es ruhiger um Singer. Viele dachten, er sei nur ein extremer
Außenseiter, den man weiter nicht beachten bräuchte. Dann aber
kam ein Umschwung, und etwa seit den Jahren 1996/97 werden seine Thesen
wieder häufiger diskutiert, was u.a. auch einhergeht mit einem Stimmungsumschwung
in der Gesellschaft.
Daß man in Deutschland besonders empfindlich auf die Gedanken von Singer reagierte, ist angesichts der besonderen Geschichte im 3.Reich verständlich. Die Tötungen der Euthanasie- Aktionen (der sog. T-Aktion) ab 1939 wären nicht denkbar ohne die philosophische Vorbereitung gewesen, die spätestens ab 1920 mit dem Buch von Binding und Hoche über „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ eingesetzt hatte. Nun möchte sich Singer nicht in diese Tradition stellen lassen, da er selbst jüdischer Herkunft ist und seine Großeltern in einem Konzentrationslager der Nationalsozialisten getötet wurden. Andererseits wirken ganze Passagen seines Buches wie Zitate aus dem besagten Buch von Binding und Hoche. Singer wird Mühe haben, sich davon abzugrenzen. Aber auch auf internationaler Ebene erfährt Singer Kritik - selbst aus bioethischen Kreisen. Allerdings ist die Reaktion im allgemeinen nicht so heftig wie in Deutschland. Als er z.B. 1998 eine Gastprofessur in den USA annahm, gab es zahlreiche Widerstände, auch von politischer Seite. International spielt Singer weiterhin eine große Rolle, da er u.a. Mitbegründer der Internationalen Bioethischen Assoziation ist, die alle zwei Jahre große internationale Kongresse veranstaltet. Dort werden bioethische Fragen behandelt, wobei inzwischen auch Kritiker und Gegner von Singers extremen Positionen teilnehmen. Der letzte dieser Kongresse fand im Sept.2000 in London statt, der nächste wird voraussichtlich im Jahr 2002 in Brasilien sein. Gibt es eine neue Singer-Debatte?
Anbei Hinweise auf einzelne Texte oder Zeitungsausschnitte,
in denen Peter Singer erwähnt wird:
Ein Flugblatt, das angesichts eines Seminares über das Buch von
Peter Singer "Praktische Ethik" erschien. Vieles an der Problematik wird
hier sehr deutlich:
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