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Die USA und Menschenrechte
In einer öffentlichen Erklärung haben sich Intellektuelle
in den USA für den Krieg gegen den Terrorismus ausgesprochen, den
sie - unter bestimmten Bedingungen - für einen gerechten Krieg halten.
Heikle Fragen, wie die völkerrechtliche Legitimation eines solchen
Unterfangens oder die Behandlung von Kriegsgefangenen werden jedoch nicht
berührt. Ein Kommentar von Heiner Bielefeldt. Der Autor ist Islam
Experte der deutschen Sektion von amnesty international
Intellektuelle auf der Suche nach der Moral
„Wofür wir kämpfen“ - unter dieser Überschrift haben
knapp sechzig amerikanische Intellektuelle Anfang des Jahres ein Manifest
veröffentlicht, das auch in Deutschland Aufsehen erregt hat.
Angesichts der miltärischen Auseinandersetzung mit dem internationalen
Terrorismus wollen die Unterzeichner die moralischen Terrorismus wollen
die Unterzeichner die moralischen Prinzipien in Erinnerung rufen, für
die Amerika steht: Menschenwürde, Menschenrechte und religiöse
Freiheit. Obwohl sie um die Schwächendes Krieges wissen, meinen die
Unterzeichner dennoch, dass es Zeiten geben könnte, in denen es notwendig
ist, „Krieg zu führen als Antwort auf verheerende Akte der Gewalt“.
Eine solche Zeit halten sie nach den Anschlägen vom 11.September für
gekommen. Selbstkritisch betonen die Verfasser , dass die amerikanische
Politik sich nicht immer an diese Prinzipien gehalten hat. Es gebe vielfach
eine Kluft zwischen der Realität und den „amerikanischen Werten“,
die kein exklusiver Besitzstand der USA, sondern „das gemeinsame Erbe der
Menschheit“ seien. Weiter wird eingeräumt, dass die Arroganz der einzig
verbliebenen Supermacht mit dazu beigetragen habe, dass vielerorts Hass
auf Amerika entstanden sei.
Wenn die Unterzeichner militaristische Maßnahmen in der Auseinandersetzung
mit dem Terrorismus für legitim halten, berufen sie sich auf die Lehre
vom gerechten Krieg, wie sie in der christlichen Theologie, aber auch in
religiösen und philosophischen Traditionen entwickelt worden ist.
Besonderes Gewicht geben sie dabei den moralischen Vorbehalten, Bedingungen
und Schranken, die im Rahmen dieser lehre aufgestellt worden sind. Außerdem
legen sie Wert auf die Feststellung, dass selbst ein moralisch zu rechtfertigender
Krieg niemals „heilig“ genannt werden dürfe, weil „jeder Krieg schrecklich
und ein Ausdruck menschlich-politischen Versagens“ sei. Mit ihrer Absage
an den Absage an den Begriff des Kreuzzugs lassen die Verfasser zumindest
indirekt Kritik an der Kreuzzugsrhetorik des amerikanischen Präsidenten
erkennen.
Befremdlichist allerdings, dass in der Argumentation zu Gunsten der
amerikanischen Kriegsführung die Vereinten Nationen und das Völkerrecht
überhaupt keine Rolle zu spielen scheinen. Die entscheidende Frage,
ob eine Autorisierung der Kriegsführung durch die UNO erforderlich
sei, wird nicht im Text des Manifests selbst, sondern lediglich in einer
Fußnote abgehandelt und - indirekt - negativ beantwortet. Zum einen
sei es fraglich, ob sich die Vereinten Nationen für eine solche Richterfunktion
überhaupt eigneten und ob sie dadurch nicht „ihre primäre Mission
humanitärer Arbeit“ gefährden würden. Zum anderen wird vermerkt,
dass das Erfordernis einer Autorisierung kriegerischer Maßnahmen
durch eine internationale Organisation historisch „neu“ sei und von den
klassischen Vertretern der Lehre vomgerechten Krieg nicht verlangt werde.
Ganz nebenbei wird damit die entscheidende Neuerung des Völkerrechts
des 20.Jahrhunderts für obsolet erklärt: nämlich der Versuch,
das zuvor als Bestandteil staatlicher Souveränität anerkannte
Recht auf Kriegsführung durch ein völkerrechtliches System kollektiver
Sicherheit zu überwinden. Anstatt dieses - zweifellos noch sehr unvollkommene
- System zu stärken und zu verbessern, orientieren sich die Verfasser
des Manifests an der vormodernen Lehre vom gerechten Krieg. Was den Vereinten
Nationen demnach noch bleibt, ist lediglich eine nicht näher definierte
„humanitäre“ Funktion.
Auch die völkerrechtlichen Bindungen, die im Krieg selbst gelten.
Kommen im Manifest nicht zur Sprache: Zu der politisch brisanten Frage
beispielsweise, ob die gefangenen Taliban und Al-Qaida- Kämpfer rechtlich
als Kriegsgefangene anzusehen und zu behandeln sind, findet sich keine
Stellungnahme. Auf diese Weise entsteht der fatale Eindruck, als hätten
die moralischen Prinzipien, die die Verfasser des Manifests gemäß
der klassischen Lehre vom gerechten Krieg auch für die Situation von
Kriegshandlungen annahmen, mit den geltenden Verpflichtungen des humanitären
Völkerrechts überhaupt nichts zu tun.
Die völlige Ausblendung des Völkerrechts hat zur Folge, dass
auch die Menschenrechte, für deren weltweite Verteidigung und Durchsetzung
die Autoren des Manifests eintreten wollen, in ihrer Geltungskraft geschwächt
werden. Die Verfasser scheinen zu übersehen, dass Menschenrechte nicht
nur allgemein humanitäre Werte sind, sondern darüber hinaus auch
Rechtswirksamkeit entfalten - zum Beispiel in Gestalt von völkerrechtlichen
Abkommen und in Verbindung mit internationalen Kontrollgremien, die mit
unabhängigen Experten besetzt sind. Auf diesem Wege konnten die Vereinten
Nationen in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erreichen.
Wer die UNO und das Völkerrecht in ihrer Bedeutung herabsetzt, fügt
deshalb auch dem Anliegen der Menschenrechte schweren Schaden zu. Mehr
noch: Eine menschenrechtliche Friedensordnung ohne Respekt vor dem Völkerrecht
wäre ein Widerspruch in sich.
(aus: ai-Journal 4/2002)
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